Pandemie, Virusmutationen, Lockdown, Impfstoff, Wirtschaftshilfen: Bei Variablen wie diesen müssen selbst erfahrene Wirtschaftswissenschaftler die Waffen strecken und sich eingestehen, dass eine valide Jahresplanung kaum darstellbar ist. Es fehlt schlicht und ergreifend an Modellen oder Beispielen, an denen man sich orientieren könnte. Dennoch – oder gerade deshalb – ist die Sehnsucht groß, diesem Chaos mit Plänen, Struktur und Zielen zu begegnen.
So sehen es auch die Kolleginnen und Kollegen vom Harvard Business Manager. Das Januarheft schreibt sich mutig auf den Titel: „So planen Sie das Unplanbare 2021“. Der Fokus liegt hier nicht auf Unternehmenszielen, sondern auf persönlichen Zielen. Mit konkreten Lösungsansätzen legt das Magazin dar, wie man sich individuell auf ein scheinbar unplanbares Jahr vorbereiten kann. Und jetzt kommt der Clou: Die Essenz der zugrundeliegenden Konzepte lässt sich auch auf die Arbeit mit Zielen in Organisationen übertragen!
7 Tipps, wie Sie Ihre Organisation mit Zielen durch unplanbare Zeiten navigieren
#1: Planen Sie kurzfristig
Idee: Bei der Arbeit mit persönlichen Zielen in einem dynamischen Umfeld, wie wir es momentan gerade erleben, ist die Konzentration auf das Hier und Jetzt ein wesentlicher Erfolgsfaktor. Anders formuliert: Kürzere Planungszyklen erhöhen die Wahrscheinlichkeit, richtig vorherzusagen, was geschehen wird. Wer sich hier weiter einlesen will, dem empfehlen wir das Buch „Succeed. How we can reach our goals.“ von Heidi Grant Halvorson.
Umsetzung im Unternehmen: In dynamischen Zeiten haben sich für Organisationen 90-Tage-Ziele bewährt. Diese Zeit ist lang genug, um gewichtige Arbeitspakete zu bearbeiten und bietet gleichzeitig genug Flexibilität, um auf Sicht zu steuern. Ein 90-Tage-Rhythmus bietet sich zudem an, um größere Ziele in konkrete Etappenziele herunterbrechen, die dann den Weg zum Ziel beschreiben.
#2: Nutzen Sie Ihr Leitbild als Anker
Idee: Eine Studie des US-amerikanischen Psychologen Steven C. Hayes zeigte, dass Menschen gerade in unruhigen Zeiten ein Fixstern hilft, an dem Sie sich orientieren können. In der persönlichen Perspektive sind dies häufig Werte, die als Anker für die Planung herangezogen werden.
Umsetzung im Unternehmen: Im organisatorischen Kontext kann ein gutes Leitbild die Rolle dieses Ankers oder Fixsterns darstellen. Bei aller Dynamik in den Märkten, im Kundenverhalten und im technologischen Umfeld hilft es, mit Vision, Mission und Werten einen stabilen Orientierungspunkt zu haben, an dem die Ziele ausgerichtet werden können.
#3: Loslassen und akzeptieren
Idee: Wenn sich Rahmenbedingungen ändern, ist es entscheidend loszulassen, Ziele nicht weiterzuverfolgen und sich neu auszurichten. Da Loslassen vielen Menschen schwer fällt, empfiehlt es sich, Hilfsmittel wie z.B. Marshall Goldsmiths „Rad der Veränderung“ heranzuziehen und die Veränderung strukturiert anzugehen.
Umsetzung im Unternehmen: Auch im organisatorischen Umfeld ist das Loslassen eine große Herausforderung für viele Managementteams. Denn es fällt häufig leichter, noch eine weitere Initiative zu starten, als mit voller Entschlossenheit ein Thema nicht weiterzuverfolgen – und sich damit zu einem gewissen Grad auch einen Misserfolg einzugestehen. Fragen Sie bei Neuausrichtungen daher immer:
Was machen wir nicht mehr?
Wo müssen wir unsere Planungen zur Ressourcenzuordnung anpassen, wenn wir neue Prioritäten setzen?
Gerade im Umfeld der Budgetplanung lohnt es sich darüber nachzudenken, den Fokus weg von Planungspräzision hin zu strategischem Erfolg zu richten.
#4: Bedenken Sie Hindernisse
Idee: Persönlichen Erfolgen stehen häufig Hindernisse im Weg. Genau diese Hindernisse und der konstruktive Umgang mit ihnen ist ein wesentliches Merkmal erfolgreicher Krisenbewältiger (z.B. Nathan Furr, INSEAD Professor). Insofern empfiehlt es sich, im Vorfeld mögliche Hindernisse zu identifizieren und bereits in der Planungsphase mögliche Strategien für deren Überwindung zu definieren.
Umsetzung im Unternehmen: In der Strategie- und Umsetzungsarbeit in Organisationen hat sich für einen erfolgreichen Umgang mit Hindernissen der Einsatz von Szenario-Techniken bewährt. So liegen vielen Strategien Szenarien mit entsprechenden Handlungsalternativen zu Grunde, die mit „Wenn-Dann“-Fragestellungen erarbeitet werden.
#5: Fortschritte geben Ihnen Auftrieb
Idee: Die Motivationsforscher Teresa Amabile und Steven Kramer haben mit ihrer Forschung zur „Kraft der kleinen Gewinne“ (The power of small wins), die Bedeutung von Erfolgserlebnissen für Teams und Mitarbeitende verdeutlicht. Demnach sind Menschen bei der Arbeit motivierter und zufriedener, wenn sie das Gefühl haben, etwas geschafft zu haben. Daher lautet die Empfehlung für den Umgang mit persönlichen Zielen: Machen Sie sich stets die Fortschritte bewusst – ein Erfolgstagebuch ist hier eine sinnvolle Empfehlung.
Umsetzung im Unternehmen: Übertragen auf Unternehmensziele kann es enorm helfen, Ziele und deren Fortschritt regelmäßig zu bewerten. Und zwar deutlich regelmäßiger als einmal pro Jahr im Jahresmitarbeitergespräch bzw. viermal pro Jahr im Rahmen eines Quartalschecks. Die produktivsten Teams, mit denen wir zusammenarbeiten, bewerten ihre Zielfortschritte alle zwei Wochen und feiern dabei auch die kleinen Gewinne.
#6: Messbare Ziele für unmittelbare Rückmeldung
Idee: Erfolg führt zu noch mehr Erfolg. Dieser Ansatz ist wesentlich für produktives Selbstmanagement. Daher kommt positivem Feedback in Form von Rückmeldungen, seien sie von außen (z.B. Freunden, einem Trainer oder Coach) oder von innen (z.B. Glücksgefühle) eine wichtige Rolle bei erfolgreicher Veränderung zu. Menschen sollten daher eine Erfolgsserie anstreben, die dabei hilft, neues Verhalten in Automatismen zu überführen.
Umsetzung im Unternehmen: Damit Erfolgsautomatismen auch im Kontext von Organisationszielen wirken können, ist es entscheidend, dass Ziele entwickelt werden, deren Fortschritt man einfach messen kann. So sollten z.B. Daten zur Verfügung stehen. Nur wenn der Zielfortschritt messbar ist, können Sie über Ziele unmittelbar erkennen, ob sich der Ziel-Owner (Organisation oder Team) auf einem erfolgsversprechenden Weg befindet.
#7: Entwickeln Sie mit Experimenten neue Gewohnheiten
Idee: Für das Erreichen persönlicher Ziele ist es häufig notwendig, neue Gewohnheiten zu entwickeln. Ein erfolgsversprechender Ansatz dafür sind sogenannte Mikrogewohnheiten: Anstatt gleich zu Beginn auf den großen Wurf zu setzen, startet man mit kleinsten Zielen, die aber maximal konsequent, täglich erreicht werden sollen. Das häufig zitierte Beispiel hierzu lautet: Wenn man sich vornimmt, mehr zu lesen, sollte man damit anfangen, jeden Tag – und wirklich jeden Tag – einen Absatz zu lesen. Keine fixe Zeiteinheit, kein Kapitel, einfach einen Absatz jeden Tag.
Umsetzung im Unternehmen: Für die Arbeit mit Zielen in Organisationen heißt das, ein anderes Verständnis für Ziele zu entwickeln. Während in klassischen Zielansätzen stets die Zielerreichung im Vordergrund steht, kann man Ziele heute als kleine Experimente ansehen, die zu einem Lernerfolg führen. Kurz getaktet, klar messbar und regelmäßig besprochen, geben Ziele dann Feedback darüber was unter den aktuellen Umständen funktioniert und was nicht.
Anpassungsfähigkeit wird auch 2021 eine wichtige Eigenschaft von erfolgreichen Organisationen sein. Ein gutes Zielsystem, dass die beschriebenen Ansätze berücksichtigt, kann Ihnen dabei helfen voranzukommen und erfolgreicher zu werden – auch in turbulenten Zeiten.
Hinweis: Die Ideen gehen auf den Artikel “So planen Sie das unplanbare 2021” von Ingmar Hörmann zurück. Der Artikel erschien in der Januarausgabe des Harvard Business Managers und kann hier online gelesen werden (zahlungspflichtig).
“Es lohnt sich zu planen, auch wenn sich am Ende nicht jeder Plan umsetzen lässt.
”
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Photo by Michael Krahn on Unsplash