Wann ist ein Purpose wirklich Sinn-voll?

Wie wird die Welt besser, indem es mein Unternehmen gibt? Diese Frage stellen sich längst nicht mehr nur Idealisten. Den "Purpose", das heißt den Daseinszweck, des eigenen Unternehmens zu kennen und zu kommunizieren, ist zum Business Case geworden.

Studien belegen, was Experten wie Simon Sinek und Alex Edmans seit Jahren betonen: Wenn es gelingt, die ganze Organisation auf einen Purpose auszurichten, stiftet dieser Daseinszweck messbaren Wert. Laut der Deloitte Purpose Studie von 2018, für die mehr als 11.000 Führungskräfte in 124 Ländern befragt wurden, verzeichnen Purpose-orientierte Unternehmen schnelleres Wachstum, binden ihre Mitarbeitenden langfristiger und profitieren von einer höheren Innovationsrate.[1] Prominente Beispiele wie der kalifornische Outdoor-Hersteller Patagonia oder sein schwäbisches Pendant VAUDE zeigen: Ein klar definierter Purpose, in diesem Fall Umweltschutz und Nachhaltigkeit, kann eine enorme Strahlkraft entwickeln, nach innen wie nach außen.

Braucht jedes Unternehmen einen Purpose?

Fachleute sind sich einig: Das Thema Purpose ist gekommen, um zu bleiben. Und doch kommt bei meiner Arbeit gerade bei Entscheidern aus dem technischen Mittelstand die Frage auf: Reicht es nicht, eine herausragende, vielleicht sogar die weltweit beste Lösung für ein Problem anzubieten, sei es ein spezielles Messgerät, eine hochindividuelle Sondermaschine zur Metallbearbeitung oder eine Motorenkomponente? Braucht jedes Unternehmen einen Purpose? 

Meine Antwort darauf ist eindeutig: Ja – und wenn es ein seit Jahren, vielleicht seit Generationen bestehendes, erfolgreiches Unternehmen ist, dann hat es ihn schon. Denn viel zu oft wird der Purpose, also der Daseinszweck eines Unternehmens mit dem Purpose Statement verwechselt, das sich dann auf der Website findet – und oftmals blumig bis vage daherkommt.

Was ist ein gutes Purpose Statement?

Ein gut gemachtes Purpose Statement wirkt und gibt Orientierung. Aus der Strategie-Perspektive hilft das Purpose Statement, die gemeinsame Ausrichtung (Alignment) auf der Unternehmensebene herzustellen. Mit Alex Edmans, einem der Vordenker für die Verbindung von Purpose und Profit, setzt es Klarheit in zwei Punkten voraus:

“So how do you define a company’s purpose?
You need to know why you exist and who you exist for.”
— Alex Edmans

Woran erkennt man ein gutes Purpose Statement?

Ein Purpose Statement kennzeichnet sich dadurch, dass das Gegenteil ebenfalls sinnvoll wäre. Es ist das Ergebnis von Entscheidungen und Trade-Offs, die dem Management abverlangt werden. Edmans formuliert es so: [2]

"A purpose driven company doesn’t try to be all things to all people, but focuses on a couple of stakeholder issues that are most material to it, and which it has a unique comparative advantage in solving."

Nicht alles für alle sein zu wollen – das ist der Kern eines Purpose Statements. Es geht um Prioritäten, die echte Orientierung liefern in allen Bereichen – von der Strategie bis zum Tagesgeschäft. Das hat Konsequenzen:

  • Nicht alle sind gleich wichtig: Aktivitäten werden zum Wohle einzelner Stakeholder und damit zu Ungunsten anderer umgesetzt.

  • Nicht alles ist gleich wichtig: Ressourcen, d.h. Zeit und Geld der Organisation, werden für Aktivitäten allokiert, die dem Purpose dienen. Andere Projekte werden hintenangestellt.

  • Nicht alle Ideen werden verfolgt: Aus dem Purpose Statement ergibt sich, welche Chancen eine Organisation nutzt – und welche sie verstreichen lässt.

Wie entwickle ich ein Purpose Statement?

Erinnern wir uns noch einmal an Alex Edmans und seine Purpose Formel:

"You need to know why you exist and who you exist for."[3]

Für wen existiert mein Unternehmen? Das "Who" beschreibt häufig die Kunden, für die ich eine gute, wenn nicht die beste Lösung anbieten will. Wenn es zum Unternehmen passt, kann ich weitergehen und die Wirkung auf die Gesellschaft oder das soziale Miteinander beschreiben. Das ist aber kein Muss. Es reicht völlig aus, den besten Dübel herzustellen. Oder seit 150 Jahren eine scharfe Soße, auf deren gleichbleibende Qualität sich die Kunden verlassen können.

Seine Kraft entfaltet das Purpose  Statement aus dem Warum. Dieses Warum sollte sich am Wettbewerbsvorteil orientieren – oder an der Leidenschaft der Organisation, die sie antreibt und aus der sie neue Energie gewinnt. Im Idealfall wird aus der Fokussierung auf diese Leidenschaft wiederum ein Wettbewerbsvorteil. Roger Martin beschreibt den Zusammenhang von Purpose und Profit als zirkulären Prozess:

„The simple rule to follow when you design your choice of purpose is that your purpose should drive selection bias that makes it more likely that you will achieve your purpose — not make it less likely that you will achieve it. It is a circular relationship — and important.“[4]

 Entscheidend ist, dass der Purpose nicht von außen kommt, sondern in der DNA der Organisation verankert ist. Manchmal braucht es lediglich Unterstützung durch den Blick von außen, um diesen freizulegen.

Mehrwert generieren mit Purpose

Messbaren Mehrwert erzeugt der Purpose dann, wenn er in einer Organisation nicht nur kommuniziert, sondern in alle Prozesse und Aktivitäten eingebunden wird. Die Integration schlägt sich vor allem in diesen 4 Elementen nieder:

  • Strategie: In einer guten Strategie findet sich der Purpose in der Formulierung des Anspruchs / Marktanspruchs wieder. Daneben kann das „Who“ das Spielfeld definieren bzw. beeinflussen und das "Why" Ableitungen für die Wettbewerbspositionierung bieten.

  • Operating Model: Verschreibt sich ein Unternehmen dem Purpose "Kundenwohl", wird es die Art, wie es seine Geschäfte führt, danach ausrichten und z.B. durch entsprechende Prozesse immer mehr Kundennutzen stiften.

  • Reporting: Über eine Balanced Score Card mit ESG-Werten, d.h. Kennzahlen aus den Bereichen Umwelt (Environmental), Soziales (Social) und verantwortungsvolle Unternehmensführung (Governance),lassen sich Informationen sammeln, wie Abteilungen und Projekte zu Purpose-relevanten Themen performen.

  • Kultur: Die Kultur eines Unternehmens richtet sich auf den Purpose aus. Zielt der Purpose auf kostengünstige Angebote für den Kunden, unterstützt eine Kultur der Effizienz und der klaren Verantwortlichkeiten diesen Zweck. Dem Purpose "Innovation" entspricht eher eine Kultur von Autonomie, Risikobereitschaft und Lernbereitschaft.

So kommen auch Robert E. Quinn und Anjan V. Thakor in der Harvard Business Review zum Schluss, dass Purpose kein "hehres Ideal" ist, sondern vor allem über die Selbstwirksamkeit und das Engagement der Mitarbeitenden als Wachstumsbooster auf allen Ebenen funktioniert:

"People who find meaning in their work don’t hoard their energy and dedication. (...)They grow rather than stagnate. They do more—and they do it better. By tapping into that power, you can transform an entire organization."[5]

Wie stehen Sie zum Thema Purpose? Hat Ihre Organisation bereits ein Purpose Statement und sind Sie damit zufrieden? Wenn Sie sich mit mir über Ihren Purpose-Prozess austauschen wollen, freue ich mich über Ihre Nachricht.

Kostenlose Strategie-Tipps

Melden Sie sich zu unserem Newsletter an und erhalten Sie regelmäßig wertvolle Tipps und Neuigkeiten zum Umsetzen von Strategien direkt in Ihr Postfach.


[1]https://www2.deloitte.com/us/en/insights/focus/human-capital-trends/2018.html; vgl auchhttps://www.mckinsey.de/~/media/McKinsey/Locations/Europe%20and%20Middle%20East/Deutschland/Branchen/Konsumguter%20Handel/Akzente/Ausgaben%202020/Akzente_1-20.ashx

[2] https://www.faz-institut.de/wp-content/uploads/sites/2/2021/08/22-LOW-WEB-SECHSAUGEN-GESPRAECH-GESCHUETZT-V-03-2021.pdf

[3] https://alexedmans.com/wp-content/uploads/2020/01/Finding-the-Purpose-of-Your-Business.pdf

[4]https://rogermartin.medium.com/the-purpose-of-corporate-purpose-1fa3ddb30c5a

[5] https://hbr.org/2018/07/creating-a-purpose-driven-organization